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Alexia Hack

Brände in Nordgriechenland: Grenzgewalt, Rechte Mobilisierung und das Gefährliche Blame-Game e

Die seit nunmehr fast zwei Wochen wütenden Waldbrände in der Evros-Region im Norden Griechenlands diesen Sommer haben zum Tod von mehr als 25 Fluchtmigrant:innen geführt. Doch nicht nur die Feuer sind eine Gefahr für Geflüchtete in der Region. Verbreitung rassistischer undrechtsextremer Verschwörungstheorien über den Ursprung der Feuersbrunst führte zu pogromartigen Zuständen mit Angriffen auf Menschen mit Fluchterfahrung. Einmal mehr zeigten sich, wie real das Zusammenspiel mehrerer, gleichzeitig auftretender Krisen ist und wie vulnerable Gruppen besonders betroffen sind.



Mehr als 20 Leichen Inmitten wütender Waldbrände Gefunden


Die zu den größten Waldbränden in Europa aller Zeiten zählenden Feuer haben bereits eine eine Fläche von mehr als 800 000 Hektar verbrannt.. Zahlreiche Gemeinden mussten evakuiert werden, da bereits Dutzende von Häusern den Flammen zum Opfer gefallen sind. Allem voran forderten sie tödliche Opfer. Während diese Nachricht über die Ausmaße der Zerstöung international für Schlagzeilen sorgte, fanden die mehr als 20 Toten wenig Beachtung. Der Grund: Es waren Menschen auf der Flucht.


Am 22. August, dem vierten Tag seit dem Ausbruch der in der Evros-Region, wurden die verkohlten Überreste von 18 Menschen in einem abgelegenen, bewaldeten Gebiet namens Dadia gefunden. Mittlerweile ist die Zahl auf 26 angestiegen. Dies erregte sofort die Aufmerksamkeit der Medien, da Nachrichtenagenturen bis zu diesem Zeitpunkt nicht über tödliche Folgen der Brände berichtet hatten. In den folgenden Tagen wurden weitere Leichen entdeckt. Der für den Fall verantwortliche Gerichtsmediziner stellte fest, dass das Feuer eindeutig die Todesursache war. Daraufhin wurde außerdem bekannt gegeben, dass Anstrengungen unternommen wurden, biologisches Material von den Leichen zu sammeln, um sie zu identifizieren. Mehrfachen Berichten zufolge handelte es sich bei den meisten Opfern um Männer, die unter 35 Jahre alt waren. Außerdem sollen Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren unter den Toten sein.


Die Verbreitung dieser tragischen Nachrichten führte zu heftigen Reaktionen von lokalen und internationalen Aktivist:innen. Die Reaktion der griechischen Behörden auf der anderen Seite, zeugt jedoch einmal mehr von einer Politik der fehlenden Rechenschaftspflicht, wie die Pressemitteilung des griechischen Migrationsministeriums verdeutlichte. In seiner Erklärung versuchte der Minister für Migration und Asyl, Dimitris Karidis, die unmenschliche Politik der verstärkten Grenzkontrollen als lebensrettend darzustellen:


"Trotz der anhaltenden Bemühungen der griechischen Behörden, Grenzen und Menschenleben zu schützen, ist diese Tragödie eine weitere Erinnerung an die Gefahren der irregulären Migration. Vor dem Hintergrund dieser tragischen Ereignisse weisen wir einmal mehr auf die mörderischen Aktivitäten krimineller Schleuser und derer, die sie unterstützen, hin und prangern sie an. Menschenhandel gefährdet jeden Tag das Leben von Migrant:innen, sowohl an Land als auch auf See."


Bislang liegen keine Informationen darüber vor, ob eine Untersuchung eingeleitet wurde, um festzustellen, weshalb keinerlei der staatlichen Notfallmechanismen die Opfer erreichte. Etwa die SMS, die automatisch an alle Mobiltelefone in Reichweite eines Evakuierungsbefehls gesendet wird. Das ist jedoch nur eine von vielen Fragen, die gestellt werden müssen, um Klarheit zu erhalten, warum die Verstorbenen den tödlichen Bränden nicht rechtzeitig entkommen konnten. Da sich Menschen auf der Flucht wegen der anhaltenden Politik der EU Behörden fürchten, werden viele dazu gezwungen, Grenzregionen klandestin zu überqueren. Es besteht demnach kein Zweifel daran, dass Schutzmaßnahmen in solchen Fällen äußerst begrenzt sind. Daher ist die derzeitige Politik der Festung Europa, die durch strenge, zunehmend gewalttätige und oft illegale Grenzsicherungsmaßnahmen gekennzeichnet ist, eindeutig die Ursache für die tödlichen Folgen der Brände. Insbesondere in Durchgangs-Regionen wie die des Evros, der im Osten eine Grenze mit der Türkei und im Norden eine Grenze mit Bulgarien teilt, bestünde eine verstärkte Verantwortung, derartige Tragödien vorherzusehen und zu verhindern.


Wie das Blame-Game der Rechten Extremisten Mobilisiert


Nach Angaben von Politico ist das Feuer, das seit dem 18. August in der Evros-Region wütet, das größte Feuer in Europa seit der Europäische Waldbrandinformationsdienst (EFFIS) im Jahr 2000 mit der Datenerfassung begonnen hat. Während Feuerwehrleute, Freiwillige und viele der betroffenen Einheimischen unermüdlich an vordersterr Front auf die Notlage reagieren, fand zur selben Zeit eine beispiellose Jagd nach Sündenböcken statt. Der erste gemeldete Fall dieser Art von “Menschenjagd” war der eines 45-jährigen Mannes aus Alexandroupoli, der am 22. August 13 Menschen syrischer und pakistanischer Herkunft gewaltsam in seinen Wohnwagen sperrte und in einem Livestream in den sozialen Medien zu einem Pogrom gegen Migrant:innen aufrief. Der Täter behauptete nämlich, diese seien für die Brände verantwortlich. Griechischen Nachrichtenagenturen zufolge wurden außer ihm zwei weitere Personen festgenommen, die im Verdacht wegen Beihilfe stehen.


In ihrer offiziellen Äußerung zu den Verhaftungen der drei Männer betonte die griechische Polizei, dass Griechenland ein “Rechtsstaat mit demokratischen und humanitären Grundsätzen” sei und daher “Vigilantismus in keiner Form geduldet wird”. Dieses Statement wurde jedoch von dem Hinweis begleitet, die griechische Polizei habe seit Anfang August im Tagesdurchschnitt “etwa 900 illegale Einreisen in die Evros-Region verhindert” und “Hunderte von Menschenhändlern” festgenommen. Solange dieses schädliche Narrativ von Institutionen und Behörden aufrechterhalten wird, fühlen sich Anhänger der extremen Rechten ihren rassistischen Handlungen von Selbstjustiz legitimiert, die sie weiterhin auf den Glauben stützen, dass Menschen mit Fluchterfahrungen eine allgemeine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen.


Die Täter*innen fühlen sich offenbar im Recht, , riefen die drei Täter doch selbst die Polizei an, um die mutmaßlichen Brandstifter auszuliefern. Ihr Vertrauen darauf, dass die Polizeibehörden ihre Aufmerksamkeit auf die mutmaßlichen Brandstifter und nicht auf ihre Entführer richten würden, deutet darauf hin, dass sie glaubten, sie seien vor polizeilicher Verfolgung sicher. Tatsächlich wurde, abgesehen von ihrer Verhaftung, ebenfalls eine Anklageschrift für die 13 Opfer erstellt, die sich auf die Aussagen der drei Entführer stützt. In dieser werden Journalist:innen zufolge der Verdacht der Brandstiftung zur Gefährdung der menschlichen Sicherheit genannt sowie der Bau und Besitz von Brandsätzen. Schließlich werden die Opfer der “illegalen Einreise in das Land” bezichtigt. Am 26. August berichteten griechische Zeitungen, dass 4 der 13 Personen von den Behörden nach einem Verhör entlassen wurden. Drei Tage später wurden auch die übrigen 9 Personen entlassen.


Der Fall des Lkw-Fahrers, dem griechischen Medien den Spitznamen des “selbsternannten Sheriffs” gegeben wurde, war allerdings nicht der einzige Aufruf zur Gewalt in den vergangenen zwei Wochen. Am 23. August wurden Nachrichten aus einem Gruppenchat bekannt, aus denen hervorging, dass sich die Bewohner der von den Waldbränden betroffenen Gebiete zu Patrouillen verabreden. Ziel dieser Maßnahme sei es, Menschen, die als Migrant:innen und Geflüchtete gekennzeichnet sind, illegal festzunehmen.


Da die Klimakrise das Phänomen der Waldbrände weiterhin verschärfen und ihre Häufigkeit erhöhen wird, ist es wichtig, Gruppen, die zum Ziel von dieser Art Blame-Games werden könnten, zu schützen. Gleichzeitig müssen sowohl einzelne Regierungen als auch die EU anerkennen, dass ihre derzeitige Grenzsicherungspolitik immer tödlicher wird und zu unermesslichen Tragödien führt. Während Aktionen wie illegale Push-Backs einen Aspekt dieses Problems darstellen, müssen Vorfälle wie der Tod von Dutzenden von Fluchtmigrant:innen aufgrund der Brände in der Evros-Region als weitere Erinnerung an die tödlichen Folgen der Festungspolitik in Europa wahrgenommen werden.


Daher hat Project Elpida zusammen mit 26 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen einen offenen Brief verfasst, in dem auf die Gefahren der rechtsextremen Narrative hingewiesen wird, die es ermöglichen, Menschen zu mobilisieren und auf vulnerable Menschen zu hetzen.

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